Unser Klassen- und UNESCO-Rat

Demokratieerziehung kommt am GGJR eine besondere Bedeutung zu. Zwar sind Schulen schon durch ihren Bildungsauftrag und ihre föderative Mitbestimmungsstruktur auf Demokratie verpflichtet, aber als UNESCO-Projektschule verfolgen wir den Anspruch, Demokratieerziehung umfangreich auf den Weg zu bringen und weiterzuentwickeln. Demokratie gilt uns nicht nur als politische Form und Bildungsinhalt, sondern vielmehr als praktische Lebensform. Wir erlernen Demokratie primär, indem wir uns demokratisch verhalten. Das will täglich erfahren werden, denn einfach ist es nicht, eine andere Meinung gelten zu lassen, Konflikte vernünftig und gewaltfrei zu lösen, Achtung und Respekt vor jedem anderen aufzubringen, Vielfalt als Bereicherung zu erleben und dafür einzutreten, die Rechte und Ansprüche anderer Menschen gleichberechtigt zu wahren. Dazu gehört z.B. Geduld zu lernen und die Bereitschaft zuzuhören, Einfühlungsvermögen gilt es zu fördern und eine prinzipiell gewaltfreie Haltung zu entwickeln und im Alltag zu leben.

Das alles fällt nicht vom Himmel. Dazu braucht es einen klaren Rahmen und verbindliche Regeln, die sicherstellen, dass alle gleichberechtigt an den Entscheidungsprozessen und Gesprächen teilhaben. Das Ganztagsgymnasium Johannes Rau arbeitet dazu seit dem Schuljahr 2022/23 mit dem Modell des Klassenrates. Der Grundgedanke ist, dass die Lerngruppen selbständig und selbstbestimmt in einer klaren Vorgehensweise Ihre Belange, Probleme und organisatorischen Angelegenheiten weitestgehend selbst regeln lernen. Sie Schülerinnen und Schüler werden befähigt, in einer politisch wirksamen Struktur Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen, die sie selbst mitbestimmen. Die Schülerorientierung kommt auch darin zum Tragen, dass sie die Inhalte und Themen der Klassenratsstunden – ihre politische Agenda – weitestgehend selbst bestimmen können.

Dazu führen alle Klassen wöchentlich in der UNESCO-Stunde einen Klassenrat durch. Alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse bilden einen gemeinsamen Rat, in dem alle Mitglieder gleichberechtigt diskutieren und abstimmen. Der Klassenrat bietet dabei klare Regeln und Abläufe, mit denen sich langfristig eine demokratische Haltung und Gesinnung festigen kann und soll. Dabei haben die Schüler mit Unterstützung der Lehrkräfte verschiedene neue Rollen und Aufgaben selbstständig zu organisieren:

  1. Vorbereitung: Ein Klassenrats-Team (Orga-Team) und/oder Klassenrats-Moderator wird ausgewählt.
  2. Einberufung: Der Klassenrat tagt regelmäßig über verschiedene Themen wie Klassenregeln, Unterrichtsprojekte, soziale Probleme oder schulische Veranstaltungen. Dazu wird eine Tagesordnung erstellt.
  3. Diskussion: Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, ihre Meinungen und Vorschläge zu den besprochenen Themen einzubringen. Es wird eine offene Diskussion geführt, in der alle Stimmen gehört werden.
  4. Abstimmung und Entscheidungsfindung: Nach der Diskussion werden Entscheidungen getroffen, entweder durch Mehrheitsabstimmung oder durch Konsens. Dies fördert das Verständnis für verschiedene Meinungen und die Fähigkeit, gemeinsame Lösungen zu finden. Eine „emotionale Intelligenz“ wird gefördert, da hier die Akzeptanz von „Abstimmungsniederlagen“ als Realität demokratischer Praxis erlebt und eine produktive Umgehensweise damit erlernt werden kann.
  5. Umsetzung und Verantwortung: Die im Klassenrat getroffenen Entscheidungen werden umgesetzt, und die Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung für die Umsetzung der Beschlüsse. Protokolle der Sitzungen helfen bei der Kontrolle dieser Prozesse.
  6. Die Klassenlehrerinnen und -lehrer bleiben assistierend im Hintergrund und nehmen sich in der LehrerInnenrolle zunehmend zurück.

Wir nehmen sehr zufrieden wahr, wie zunehmend souverän das Gremium des Klassenrates in den Klassen wirksam wird. Hierarchien werden zunehmend flacher, Wertschätzung und Respekt immer häufiger erfahrbar. Wenn ein Klassenrat eine Lehrkraft zu einem klärenden Gespräch einläd, Wandertagsziele anders als vorüberlegt beraten und abgestimmt werden, nicht zu vergessen unser UNESCO-Profil, dergestalt, dass UNESCO-Themen und Projekte von SchülerInnen auch in diesem Rahmen vorgestellt und diskutiert werden. Das ist mehr als Unterricht … Demokratie leben ist spannend und wertvoll.

Insgesamt kann der Klassenrat also als ein praktisches Instrument angesehen werden, das Schülerinnen und Schülern demokratische Werte und Fähigkeiten vermittelt und sie auf eine aktive Teilnahme an einer sich selbst als Demokratie verstehenden Gesellschaft vorbereitet.

Das ist uns als Schule mit Blick auf die deutsche Vergangenheit und Gegenwart ein wichtiges Anliegen und damit zentraler Bildungsauftrag.